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Mönchengladbach: Kein Grundversorgungsrecht auf Glasfaser-Internet

Mönchengladbach: Kein Grundversorgungsrecht auf Glasfaser-Internet

Sonntag, 13.10.2024

 

Der städtische Gigabitkoordinator spricht darüber, wo das Glasfasernetz in der Stadt als nächstes erweitert werden soll, weshalb er selbst noch keinen Anschluss hat, wie Anbieter gegen aufdringliche Vertreter vorgehen und wann DSL-Netze möglicherweise abgeschaltet werden.

Herr Schmidt, haben Sie schon einen Glasfaseranschluss bei sich zuhause?

BENJAMIN SCHMIDT | Tatsächlich nicht, weil mein Straßenzug noch nicht angeschlossen ist. Aber ich bin optimistisch, dass sich das in den nächsten zwei bis drei Jahren ändern wird.

Wo wohnen Sie denn?

SCHMIDT | Recht zentrumsnah zwischen Gladbach und Eicken.

Und weshalb dauert es noch zwei bis drei Jahre, bis dort Glasfaser verlegt wird?

SCHMIDT | Da muss ich etwas weiter ausholen. Es gibt bei Glasfaserinternet keine rechtliche Grundversorgung. Anders als zum Beispiel bei Strom, Gas und Wasser. Im Bereich der Glasfasertechnologie gibt es größtenteils Anbieter, die dort das Netz ausbauen, wo es sich für sie lohnt. Vorher bestand dieses Problem nicht, weil Internetanschlüsse über Telefonleitungen oder Fernsehkabel liefen, die sowieso schon in jedem Haus verlegt waren. Wegen dieser Ausgangslage kann es in manchen Stadtbereichen noch etwas dauern, bis der Glasfaserausbau beginnt.

Können Sie als städtischer Gigabitkoordinator der Wirtschaftsförderung Mönchengladbach (WFMG) überhaupt Einfluss darauf nehmen, dass das Netz in Mönchengladbach schneller ausgebaut wird, wenn die Entscheidung sowieso bei den Anbietern liegt?

SCHMIDT | Es gibt inzwischen sehr viele Unternehmen, die auf dem Markt vertreten sind. Unsere Aufgabe ist es, einen Überblick im Stadtgebiet zu haben und mit den Anbietern ins Gespräch zu kommen, für die der entsprechende Bereich interessant sein könnte. Deswegen sind an unterschiedlichen Orten auch unterschiedliche Firmen mit dem Ausbau beschäftigt. Die Ausgangslage vor Ort und die Strategie des Unternehmens müssen zusammenpassen. Ein Anbieter allein kann nicht die ganze Stadt versorgen. Wir unterstützen zudem bei den Abstimmungen zu notwendigen Baumaßnahmen und anderen Aspekten, damit der Ausbau möglichst schnell und problemlos umgesetzt werden kann.

Also schauen Sie sich unter anderem an, wie viele Haushalte in welchem Stadtgebiet zu finden sind und wie hoch das Kundenpotenzial sein könnte?

SCHMIDT | Das ist ein großer Faktor. Bei der Betrachtung von GlasfaserAusbaugebieten schauen wir uns Dinge wie die Zahl der Adressen und Haushalte oder die Bestandsversorgung sorgfältig an. Vor fünf oder sechs Jahren noch war es darüber hinaus sehr wichtig, eine sehr hohe Nachfrage vorab nachzuweisen, da diese vor allem im ländlichen Raum entscheidend für den Ausbau war. Das ist zwar immer noch ein Faktor, aber es fließen vermehrt andere Aspekte mit ein, da der akute Leidensdruck inzwischen stark gesunken ist.

Was meinen Sie mit Leidensdruck?

SCHMIDT | Früher war die Internetverbindung in sehr ländlichen Gebieten auch in Mönchengladbach so schlecht, dass die Menschen unbedingt auf Glasfaser umsteigen wollten. Deswegen ist die Glasfaser-Versorgungsquote in großen Landkreisen aktuell auch noch etwas höher als in den Städten.

 In Mönchengladbach kam der Ausbau in einigen Bereichen sehr schleppend voran, zum Beispiel in Wickrath lief es mit der Vermarktung erst nicht gut...

SCHMIDT | Das stimmt. Auch als ein Anbieter vor rund sieben Jahren in den innerstädtischen Bereichen mit der Vermarktung begann, war die Erwartung, dass er Wasser in die Wüste bringt und die Menschen begeistert auf Glasfaser umsteigen. Stattdessen waren sie aufgrund der noch passablen Kupfer-Versorgung teilweise sehr zurückhaltend. Aber gerade in Wickrath und auch in Odenkirchen hat der Ausbau durch die Deutsche Giganetz inzwischen begonnen und das gilt auch für andere Gebiete, in denen frühere Vermarktungen eher zäh anliefen.

Wieso sind inzwischen mehr Menschen bereit, Glasfaser bei sich verlegen zu lassen?

SCHMIDT | Das hat unter anderem mit der Strategie der Unternehmen zutun. Die meisten bieten inzwischen nicht nur kostenlos den Anschluss bis in den Keller, sondern bei Mehrfamilienhäusern gleich die Verlegung der Leitungen im ganzen Haus an. Zudem brauchen wir alle in unserem Alltag eine Internetverbindung, die möglichst stabil ist und den Transfer großer Datenmengen in kurzer Zeit ermöglicht. Das gilt für die Arbeit im Homeoffice genauso wie die Freizeit und reicht von Datentransfers bis zum Serienstreaming. Und die monatlichen Kosten liegen bei gleicher Bandbreite inzwischen auf demselben Level, wie die viel unzuverlässigeren DSL-Anschlüsse. Bei manchen Anbietern ist die GlasfaserVariante sogar drei oder vier Euro im Monat günstiger.

Oft werden aber Glasfaseranschlüsse von Vertretern an der Tür verkauft. Die haben nicht nur ein Interesse daran, dass einfach ein Vertrag abgeschlossen wird. Er soll sich für das Unternehmen auch möglichst lohnen. An wen können sich Mönchengladbacher wenden, wenn ihnen ein teures Paket mit hoher Bandbreite angedreht wurde, das sie eigentlich gar nicht brauchen?

SCHMIDT | Wenn man sich wegen des Vertrags unsicher oder unter Druck gesetzt fühlt, ist die Verbraucherzentrale auf jeden Fall ein guter Ansprechpartner. Mit der stehe ich auch im Austausch. Wir kontaktieren die Anbieter, wenn zum Beispiel in einem Ortsteil verstärkt Beschwerden eingehen. Das hat in der Vergangenheit schon dazu geführt, dass ganze Vertriebstrupps abgezogen wurden.
Den Unternehmen ist es schließlich wichtig, als vertrauenswürdig wahrgenommen zu werden. Manche Anbieter haben sich auch zum Beispiel selbst die Vorgabe gemacht, an der Haustür keine Verträge mehr mit Senioren ab einem bestimmten Alter abzuschließen. Am Ende geht es vor allem um eine gute Kommunikation. Ist die gegeben, können Vertriebler, die zu viel Druck aufbauen oder unlautere Angebote machen, schnell gefunden werden. Und auch Betrüger fallen so schneller auf.

Was ist denn, wenn ich wirklich kein Glasfaser brauche, weil ich zum Beispiel das Internet gar nicht nutze?

SCHMIDT | Wenn ich nur das Haustelefon nutze und Fernsehen gucke, hat eine schnelle Internetverbindung im Alltag natürlich keinen Mehrwert. In diesem Fall besteht auch keine zwingende Notwendigkeit für einen Glasfaseranschluss. Auf der anderen Seite kann er sich durchaus auch positiv auf den Wert eines Hauses auswirken. Berechnungen von Haus und Grund haben das gezeigt. Das liegt daran, dass Glasfaser eine sehr zukunftssichere Technologie ist. Die benötigten Datenmengen steigen von Jahr zu Jahr an, die Digitalisierung wird immer wichtiger. DSL-Anschlüsse haben inzwischen ihre Kapazitätsgrenze erreicht, Glasfaser dagegen ist noch nicht einmal zu einem Bruchteil ausgelastet. Wenn der Anschluss einmal steht, braucht man sich also für kommende Jahrzehnte keine Gedanken mehr machen. Alle wichtigen Informationen zu dem Thema Glasfaser haben wir inzwischen auf unserer Webseite unter www.gigabitcity.mg zusammengefasst.

Die reine Technologie ist die eine Seite. Uns berichten aber immer wieder Leser, dass sie Probleme mit einigen Anbietern haben. Zum Beispiel, weil der Vertrag für Glasfaser vor Monaten unterzeichnet wurde, aber man es noch immer nicht verlegt hat. Frustriert Sie das als Gigabitkoordinator, der den Ausbau ja möglichst schnell voranbringen will?

SCHMIDT | Wenn Tausende Haushalte angeschlossen werden, kann es immer sein, dass in wenigen Fällen zum Beispiel beim Einbau ein Fehler gemacht wird oder sich der Anschluss verzögert. Ich mache den Job seit 2017, und über die Jahre hat sich kein Anbieter herauskristallisiert, der besonders schlechte Arbeit leistet. Mal gibt es ein Problem mit dem einen Unternehmen, mal mit dem anderen. Natürlich ist es immer ärgerlich, wenn etwas nicht wie geplant läuft. Das will ich hier nicht kleinreden, schließlich bedeutet das für die Betroffenen immer einen zeitlichen Aufwand oder andere Mühen. Meine Erfahrung hat aber gezeigt, dass Schwierigkeiten über kurz oder lang bisher immer gelöst werden konnten.

Stichwort Schwierigkeiten: Welche Möglichkeiten haben Mönchengladbacher, wenn sie gerne Glasfaser in ihrer Mietwohnung nutzen wollen, aber der Eigentümer des Hauses das nicht möchte?

SCHMIDT | Es gibt wie gesagt grundsätzlich kein Versorgungsrecht, das Vermieter dazu verpflichtet, einen Glasfaseranschluss in ihrem Haus verlegen zu lassen. Man kann aber theoretisch auf Grundlage des Telekommunikationsrechts versuchen, den Anschluss einzuklagen. So ein Rechtsstreit ist immer risikobehaftet, und man muss sich genau überlegen, ob es das Ganze wert ist. Ich würde deswegen auf jeden Fall dazu raten, mit dem Eigentümer das Gespräch zu suchen und ihm ganz sachlich die Vorteile eines Glasfaseranschlusses vor Augen zu führen.
Die Wertsteigerung ist zum Beispiel ein sehr gutes Argument. Zumal der Anschluss in der Regel kostenlos ist, wenn gerade ein Netz ausgebaut wird. Im Nachhinein werden dafür Kosten fällig.

Glauben Sie denn, dass irgendwann eine Anschlusspflicht kommen könnte?

SCHMIDT | Aktuell gibt es vonseiten der Politik dazu keine eindeutige Willensbekundung, die für eine entsprechende Vorgabe notwendig wäre. Ab einem bestimmten Punkt, wenn der Ausbau sehr weit fortgeschritten ist, könnte ich mir aber durchaus vorstellen, dass DSL-Netze abgeschaltet werden sollen. Das dauert aber noch. Ein Stichtag, bis zu dem beispielsweise in 20 oder 30 Jahren alle Häuser Glasfaser nutzen müssen, könnte das Ausbautempo durchaus beschleunigen. Der Ausbau kommt inzwischen aber, wie gesagt, sowieso gut voran.

Wie sieht es aus, wenn ich in meiner Wohnung einen Glasfaseranschluss habe und dann umziehe: Kann der Vertrag einfach mitgenommen werden?

SCHMIDT | Das kann sich wegen der momentanen Situation noch schwierig gestalten, weil jeder Anbieter sein eigenes Glasfaser-Versorgungsgebiet hat. Beziehe ich also Glasfaser von der Telekom und ziehe in einen Ortsteil von Mönchengladbach, in dem die Deutsche Giganetz aktiv ist, kann der bisherige Anschluss aktuell nicht einfach weitergenutzt werden. Das ist aus Kundensicht natürlich problematisch.

Wird sich das ändern?

SCHMIDT | Das Thema Open Access, also die Nutzung von Glasfasernetzen durch verschiedene Anbieter, die die Infrastruktur quasi mieten, wird immer mehr Thema. Ich schätze, dass es in einigen Jahren mit steigenden GlasfaserVersorgungsquoten wirklich Fahrt aufnimmt und sich dann die aktuelle Problematik erledigt hat.

Hat die Stadt aus diesem Grund nun eine Kooperation mit Niersfibre geschlossen?

SCHMIDT | Das war auf jeden Fall ein Grund. Das Projekt Niersfibre vom Düsseldorfer Unternehmen Metrofibre basiert darauf, das Glasfasernetz auszubauen, ohne selbst Internetverträge anzubieten. Es wird also die Infrastruktur geschaffen, die dann Netzanbieter nutzen können. Dadurch erhoffen wir uns eine weitere Beschleunigung des Ausbaus in Mönchengladbach. Starten soll das Ganze nach Plan Mitte 2025. Niersfibre ist dann neben Deutsche Glasfaser, Deutsche Telekom und Deutsche Giganetz der vierte Investor, der in Mönchengladbach reines Glasfaserinternet ausbaut.

Das erklärte Ziel ist, bis 2030 fast 100 Prozent aller Haushalte in Mönchengladbach mit Glasfaser versorgen zu können. Wie hoch ist die Versorgungsquote momentan in
der Stadt?

SCHMIDT | Wir liegen aktuell nach unseren Auswertungen bei einer Versorgungsquote von rund 40 aller Haushalte.

Da ist noch viel Luft nach oben.

SCHMIDT | Wenn man die konkreten Ausbauplanungen hinzunimmt, ist die Lücke schon sehr viel kleiner. Die Bemessungsgrundlage basiert auf Gebieten, wo bereits ausgebaut wurde oder aktuell ausgebaut wird. Gebiete, in denen Glasfaser bereits gebucht werden kann, der Ausbau jedoch noch nicht begonnen hat, sind hier ausgenommen. Das gilt beispielsweise für Rheindahlen und Hardt. Zudem steht konkret der Start des Telekom-Projekts „Rheydt-Süd“ an. Dieser Bereich ist aktuell noch ein Plangebiet. Erste Anschreiben an die dort lebenden Mönchengladbacher wird es bereits im Oktober geben. Perspektivisch wird die Versorgungsquote also weiter steigen, und wir sind überzeugt, dass bis 2030 ein sehr großflächiges Netz in Mönchengladbach bestehen wird.

Die Rede ist von 97 Prozent, die jetzt eine konkrete Ausbauplanung haben. Was ist mit den drei Prozent, die in dieser Rechnung noch fehlen?

SCHMIDT | Das bezieht sich auf sehr ländliche Gebiete, wo es zum Beispiel nur ein frei stehendes Gebäude gibt. Hier ist der Ausbau sehr kostspielig und wahrscheinlich nur mit Fördermitteln von Bund und Land möglich. Hier fehlt momentan leider der konkrete Zugang.

Den Link zur Pressemitteilung finden Sie hier.

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