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Warum Deutschland den Glasfaserausbau nicht in den Griff bekommt

Warum Deutschland den Glasfaserausbau nicht in den Griff bekommt

Sonntag, 05.11.2023

Die Umsetzung des schnellen Internets ist verfahren: In Ballungsgebieten werden die teuren Leitungen häufig mehrfach verlegt. Auf dem Land hingegen fehlen Investoren. Die Opposition wirft der Regierung Planlosigkeit vor.

Die Bundesregierung gerät zunehmend unter Druck, das Problem des Überbaus von Glasfasernetzen in Deutschland zu lösen. „Die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zum Glasfaserüberbau verdeutlicht, dass das Digitalministerium weiterhin keinen Plan für das Problem des Glasfaser-Doppelausbaus hat“, sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete und zuständige Berichterstatter Hansjörg Durz gegenüber WELT.

Zuvor hatte die Unionsfraktion im Bundestag eine Antwort des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) auf eine Kleine Anfrage erhalten. „Die Bundesregierung muss jetzt schnellstmöglich in den Handlungsmodus wechseln, sonst droht auch beim selbstgesetzten Ziel des Glasfaserausbaus bis 2030 der Kontrollverlust.

Das Problem entsteht, wenn in Gebieten, in denen ein Netzbetreiber bereits Glasfaserleitungen installiert hat oder dies plant, weitere Unternehmen ebenfalls Infrastruktur ausbauen, um Haushalte mit einem zweiten oder dritten Glasfaseranschluss zu versorgen. Dies ist besonders häufig in Großstädten und Ballungsgebieten der Fall, in denen es viele potenzielle Kunden für die Unternehmen gibt.

Nach den Plänen der Bundesregierung soll bis 2030 jeder Haushalt in Deutschland in Reichweite eines Glasfaser-Netzes sein. Tatsächlich verlegen viele Unternehmen derzeit die neuen Kabel, sodass die Kapazitäten im Tiefbau weitgehend ausgeschöpft sind.

Insbesondere Konkurrenten der Deutschen Telekom werfen dem Unternehmen vor, Glasfasernetze von Konkurrenten zu überbauen oder den Überbau anzukündigen. Das führe dazu, dass sich Investoren zurückzögen, weil sich für sie dadurch der Ausbau nicht mehr rechne. „Das strategische Überbauverhalten der Deutschen Telekom gefährdet den schnellen flächendeckenden Glasfaserausbau“, sagte Frederic Ufer, Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM).

Ufer verweist zudem auf ein Gutachten von WIK-Consult, das vom Bundesdigitalministerium beauftragt und vor zwei Wochen vorgelegt wurde. Es bestätige, dass vom strategischen Überbau eines marktbeherrschenden Unternehmens eine Bedrohungslage ausgehe. „Dies beeinträchtigt massiv die Investitionsbereitschaft, insbesondere, solange es keinerlei Schutz und Schutzmöglichkeiten durch die Bundesnetzagentur gibt“, sagte der VATM-Geschäftsführer.

In der Antwort auf die Kleine Anfrage, die WELT vorliegt, schreibt das Digitalministerium, dass die Bundesregierung die Entwicklungen um den Glasfaser-Doppelausbau „eng begleiten“ werde. Um das Ausmaß des Problems zu erfassen, arbeitet seit Anfang Juli eine Monitoringstelle bei der Bundesnetzagentur, wo entsprechende Fälle gemeldet werden können.

Nicht nur der Überbau ist ein Problem

Bis zum 15. Oktober seien dort 294 Meldungen eingegangen, schreibt das Digitalministerium. In diesem Zusammenhang werde die Telekom 114-mal genannt. GlasfaserPlus, ein Gemeinschaftsunternehmen der Telekom und des IFM Global Infrastructure Fund, kommt auf 82 Meldungen. Ein weiteres Gemeinschaftsunternehmen von Telekom und EWE mit dem Namen Glasfaser NordWest wird zehnmal genannt.

Bislang werden die Fälle jedoch nur gesammelt. Der Zweck der Monitoringstelle liege nicht in einer weitergehenden Behandlung des Einzelfalls, sondern darin, aus der Vielzahl an Einzelfällen und deren kritischer Begutachtung ein Gesamtbild zu generieren. „Vorgesehen ist, dass die Bundesnetzagentur so bald wie möglich, spätestens aber bis Ende des Jahres, eine Einordnung der ihr vorgetragenen Fälle vornimmt und zur Verfügung stellt“, heißt es in der Antwort.

Die Telekom streitet den Überbau von Glasfasernetzen nicht ab. Sie sieht darin jedoch einen Infrastrukturwettbewerb, der Verbrauchern eine größere Wahl lasse.

Doch offenbar ist nicht nur der Überbau ein Problem für den Glasfaserausbau in Deutschland. Im Vorfeld eines Bund-Länder-Treffens am 26. Oktober auf Einladung des Digitalministeriums berichteten Landkreistag, Gemeindetag und Städtetag von Baden-Württemberg von Schwierigkeiten in ihrem Bundesland. „Leider müssen wir jedoch seit einigen Monaten beobachten, dass sich die Dynamik des eigenwirtschaftlichen Ausbaus deutlich abschwächt“, heißt es in einem Schreiben der jeweiligen Präsidenten an das Ministerium.

Ursächlich dafür seien auch nach Aussage der Branchenvertretungen die teils drastisch gestiegenen Baukosten, aber auch die deutlich gestiegenen Zinsen. „Beide Faktoren wirken sich negativ auf die Bereitschaft von Kapitalgebern aus, in den Breitbandausbau zu investieren.“

Vor Ort mache sich das in Verzögerungen von Ausbauprojekten bemerkbar. Außerdem würden neue Ausbauvorhaben nur noch „äußerst spärlich“ angekündigt. Nicht zuletzt deswegen fordern die Präsidenten der Körperschaften eine deutliche Aufstockung der Fördermittel für den Glasfaserausbau.

Derzeit sieht der Bundeshaushalt ein Fördervolumen von drei Milliarden Euro pro Jahr vor. Doch das Geld reicht nicht. Es sind nach Angaben des Digitalministeriums bereits fast 1000 Förderanträge mit mehr als sieben Milliarden Euro beantragten Zuwendungen eingegangen. Ein Großteil wird also gar nicht erst bewilligt.

Die staatliche Förderung des Glasfaserausbaus ist gescheitert – und dies zum zweiten Mal in Folge“, sagte VATM-Geschäftsführer Ufer nach dem Bund-Länder-Treffen. Bereits im letzten Jahr habe das Bundesdigitalministerium angesichts eines wahren Förder-Tsunamis die Reißleine ziehen und die Förderung stoppen müssen. Das neue Förderregime, das Anfang des Jahres beschlossen wurde, habe keinerlei Verbesserung gebracht, wie die aktuellen Zahlen zeigten. „Stattdessen wird die Dynamik des eigenwirtschaftlichen Ausbaus von ihm sogar verlangsamt.“

Die Branchenverbände fordern weniger öffentliche Zuschüsse, weil durch eine größere Förderung die Baukapazitäten noch mehr verknappt und dadurch noch teurer würden. „Der Glasfaserausbau braucht nicht noch mehr Subventionen, sondern ein kluges Konzept mit einer klaren Priorisierung der Ausbaugebiete“, sagte Ufer.

 Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete und Berichterstatter Durz fordert neben Maßnahmen zur Entbürokratisierung einen zielgerichteten Einsatz der vorhandenen Ressourcen. „Angesicht besorgniserregender Branchen- und Investitionsprognosen und dem völlig überzeichneten Breitband-Förderprogramm, wäre die Stärkung des privatwirtschaftlichen Ausbaus jetzt wichtiger denn je“, sagte er.

Den Link zur Pressemitteilung finden Sie hier.

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